Die Bahnhofstraße hieß ab 1933 Adolf-Hitler-Straße. Rückbenennung 1945. (1)
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„Der Stahlhelm“ sicherte die Machtübernahme
„Der Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten“ mit reichsweit 500.000 Mitgliedern unterstützte und sicherte die Machtübernahme der Nazis. In ihm versammelten sich republik- und
demokratiefeindliche, antisemitische, rassistische und revanchistische ehemalige Soldaten des 1. Weltkriegs, die fest an die -> „Dolchstoßlegende“ glaubten. Am 23. und 24.
September paradierten 30.000 auf den Maschwiesen vor dem Neuen Rathaus in Hannover. Adolf Hitler nahm persönlich teil. „Der Stahlhelm“ wurde kurz darauf in die SA eingegliedert.
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Aufmarsch „Der Stahlhelm“ auf den Aegidienwiesen (heute Teil des Maschsees) vor dem Neuen Rathaus am 23. und 24. Sept. 1933.(3)
Adolf Hitler landete zum Blitzbesuch des Stahlhelm-Aufmarsches auf dem Flughafen Vahrenwald (links von ihm SA-Führer Ernst Röhm, rechts von ihm Viktor Lutze.) Anschließend fuhr er im offenen Wagen durch die Vahrenwalder Str. zu den Aegidienwiesen. (4)
Adolf Hitler – Ehrenbürger Hannovers!
Bei der konstituierenden Sitzung des Bürgervorsteher-Kollegiums (vergleichbar mit Stadtrat) am 6. April 1933 nutzten die Nationalsozialisten die absolute Mehrheit, um den „Schmied des
Deutschen Reiches“ Reichskanzler Adolf Hitler zum Ehrenbürger zu ernennen. Die Ehrenbürgerschaft währte bis zum 9. November 1978 (!) und wurde erst anlässlich des 40. Jahrestages der
Zerstörung der Neuen Synagoge aberkannt. (5)
Hitler: „Der Glaube ist schwerer zu erschüttern als das Wissen…, Hass dauerhafter als Abneigung!“ (6)
Ehrenbürger-Urkunde der Stadt Hannover.(7)
Die Bahnhofstraße erhielt den Namen Adolf-Hitler-Straße, der Platz neben dem Opernhaus den Namen Adolf-Hitler-Platz. Der Georgsplatz hieß nun Rust-Platz, den heutigen Theodor-Heuss-Platz vor der Stadthalle nannten die Nazis Herman-Göring-Platz.
Ausschnitt Shell-Stadtkarte Nr.12, 1934 - 1938.(8)
Der Platz neben dem Opernhaus wurde zum Adolf-Hitler-Platz. (22)
Hakenkreuzplatz in Ricklingen
Das Lindener Stadion wurde zum Schlageter-Stadion, der Königsworther Platz zum Horst-Wessel-Platz, der Bonifatiusplatz zum Wilhelm-Gustlow-Platz, die Kurze Straße zur Dincklage-Straße. Einen Höhepunkt bildete die Umbenennung des Friedrich-Ebert-Platzes in Ricklingen in ...„Hakenkreuz-Platz“. (9)
Judenhetze in der Schule
Von insgesamt ca.1000 Lehrern in Hannover 1933 entließ oder versetzte die Schulbehörde 47 politisch unerwünschte oder als jüdisch herabgesetzte Lehrkräfte. In den Nationalsozialistischen
Lehrerbund traten später fast 97% aller Lehrer ein, etwa ein Drittel waren Parteigenossen. Nach dem Führerprinzip konzentrierten sich alle Entscheidungen des Kollegiums auf den Schulleiter.
Neu im Lehrplan aufgenommen: Deutsche Vorgeschichte, Erblehre, Rassenkunde, Erziehung zur Wehrhaftigkeit, zusätzliche Turnstunden zur verdeckten „Wehrertüchtigung“.
"Juden erkenne man an der Nase" behauptete "Der Giftpilz – Ein Stürmerbuch für Jung u. Alt“. Dieses antisemitische Kinderbuch von Ernst Hiemer wurde auch als Schulbuch verwendet. (12)
Fahnenappell vor der Schule. Postkarte 1934
Pompöse Fahnenappelle zu Feierstunden begeisterten die Hitler-Jungen und die Mädchen im BDM (Bund Deutscher Mädel). Zu Hitlers Geburtstag versammelten sich erstmals am 20. April 1933 über 36.000 Schülerinnen und Schüler auf dem Welfenplatz.
Hitlers „Mein Kampf“ auch in Hannover ein Bestseller
Hannover las konservativ: demokratiefeindliche Bücher wie „Volk ohne Raum“ von Hans Grimm oder Adolf-Hitlers „Mein Kampf“ waren schon 1932 Bestseller. Diesen Trend nutzten die
Nazis. Sie bezeichneten moderne Literatur von Autoren wie Heinrich Mann und Erich Kästner als „Schmutz und Schund“. Zum Zeichen dafür, dass die Nazis auch in der Kultur die „Macht
ergriffen“ hatten, verbrannten hannoversche Studenten abfällig als „Asphalt-Literatur“ bezeichnete Bücher in den Maschwiesen nahe der Geibelbastion. ->Bücherverbrennung
Kampagne hannoverscher Studenten „Wider den undeutschen Geist“: Bücherverbrennung in den Maschwiesen am 10. Mai 1933. (13)
Das Opernhaus spielte jetzt Hitlers Lieblingskomponisten
Mit der Machtübernahme der Nazis wurde auch das Kunstgeschehen in Hannover gleichgeschaltet. Der Direktor des hannoverschen Schauspielhauses Georg Altmann und der Konzertmeister des Städtischen
Orchesters Hendrik Prins verloren sofort ihre Stellung. Denn die städtischen Bühnen in Hannover galten als „ Brutstätte marxistisch-jüdischer Volksverhetzung“. Das Opernhaus spielte vermehrt
Opern von Hitlers Lieblingskomponisten Richard Wagner.
Im Kino „Sieg des Glaubens“
Hannover war eine der Kinometropolen in Deutschland. Das "Theater des kleinen Mannes", das Kino, wurde immer stärker in den Dienst der Nazipropaganda gestellt: z. B. mit Leni Riefenstahls
Film „Sieg des Glaubens“ (1933) und dem berüchtigten Film „Triumph des Willens“ (1934). (14)
Hannover großes Kino: Palast-Theater in der Adolf-Hitler-Straße (heute wieder Bahnhofstraße)
Landesmuseum ohne „Entartete“ Kunst
Die 1916 in Hannover gegründete Kestner-Gesellschaft bekannte sich zur abstrakten Kunst, z.B. von international beachteten hannoverschen Künstlern wie EL Lissitzky und Kurt
Schwitters.
Die Nationalsozialisten bekämpften die Moderne Kunst als „entartet“ und förderten eine „deutsche Kunst“. Das Provinzial-Museum - heute Landesmuseum - richtete im Oktober 1933 eine
„rassenkundliche Abteilung“ ein und zeigte „Rassebilder des höchstentwickelten niedersächsischen Menschen“(!!!). (15)
Rassenkundliche Abteilung des Provinzial-Museums – heute Landesmuseum. (16)
Evangelische Kirche: „Hitler, wir tragen Dich mit Glaubenskraft“
Im protestantischen Bürgertum hatte der Nationalsozialismus überdurchschnittlich viele Anhänger. Die nationalsozialistischen „Deutschen Christen“ mit einem Reichsbischof als „Führer“
begrüßten 1933 freudig den „nationalen Aufbruch“ und stellen zum Beispiel mit zweidritteln NSDAP-Mitgliedern die Mehrheit auf dem „braunen“ Landeskirchentag am 28. August 1933. Sie wollten eine
„Entjudung“
der Kirche, den Wegfall des Alten „jüdischen“ Testaments, die Anerkennung eines „nordisch/arischen Jesus“ und besuchten die Gottesdienste in Uniform.
Gottesdienst mit Hakenkreuzfahnen in der Marktkirche zum Landeskirchentag am 25. Oktober 1933. Gerhard Hahn huldigt Adolf Hitler. (18)
Wortführer waren der Pfarrer der Gartenkirche und langjähriges NSDAP-Mitglied Paul Hermann Jakobshagen und ab 1933 Pastor Gerhard Hahn, Präsident des evangelischen Kirchentages in Hannover. Am 25.10.1933 hielten die „Deutschen Christen“ eine „Treuekundgebung“ für Adolf Hitler in der Marktkirche ab. Pastor Gerhard Hahn betete: „Kanzler des Reiches, wir von der Kirche sprechen ein aufrichtiges Ja zu Deiner Tat! ….. Hitler, wir von der Kirche tragen dich und dein Amt mit Glaubenskraft…“ (17)
Eröffnung des 4. Kirchentags 28. August 1933, Ständehausstraße/ Ecke Karmarschstraße. (19)
Erst ab 1934 bildeten sich „Bekenntnis-Gemeinschaften“, die die „Deutschen Christen“ ablehnten. Die evangelische Kirche in Hannover äußerte keine Kritik am Nazi-Straßenterror, am Judenboykott am 1. April 1933, an der Verhaftungswelle von Kommunisten und Sozialdemokraten oder an der Einrichtung des KZ's Moringen. Die Gestapo rechnete die evangelische Kirche nicht zu den „Staatsgegnern“. Die Nazis triumphierten.(12)
Katholische Kirche: Konkordat sicherte Unabhängigkeit
Katholische Bischöfe hatten bis 1933 immer wieder vor den Irrlehren der Nazis gewarnt - wie sie etwa im ->germanischen Neuheidentum zum Ausdruck kam. Die Nazis beriefen sich auf vorchristliche Religionen und die Glaubenswelt der
Germanen. Der Vertrag mit dem Vatikan (Reichskonkordat vom 20. Juli 1933) sicherte der katholischen Kirche innere Unabhängigkeit zu - z.B. den katholischen
Religionsunterricht in den Schulen. Im Gegenzug enthielt sich die katholische Kirche politischer Tätigkeit.
Unterzeichnung Reichs-Konkordat: Vatikan und Deutsches Reich 1933. (15)
Antisemitismus war unter Katholiken weitverbreitet. Viele fanden die NSDAP sympathisch, weil die Nazis den kirchenfeindlichen Kommunismus bekämpften.
Nur rund 10 % der hannoverschen Bevölkerung bekannte sich zum katholischen Glauben. Katholische SA-Männer in Hannover nahmen an Fronleichnamsprozessionen teil oder besuchten in Uniform und
mit der Hakenkreuzfahne Gottesdienste. (13) (14)
Katholische Geistliche begrüßen mit Hitler-Gruß den Kirchenvertrag mit den Nazis 1933 (16)
Mit dem Hitler-Gruß eröffneten die Sportler ab 1933 jedes Spiel. Privat
Sport? Nur für Arier!
Die vaterländisch und national-konservativen Turn- und Sportvereine beschlossen am 8. April 1933, das Führerprinzip einzuführen und nur noch arische, national Gesinnte als neue Mitglieder
aufzunehmen. Wichtigste Aufgabe: Wehrsport für HJ und SA, Sportkurse für die NS- Gemeinschaft KdF. Der stellvertretende Dezernent des Stadtamtes für Leibesübungen, der Parteigenosse
Franz Dunkelberg, sorgte dafür, dass die 77 Arbeitersportvereine am 2. Mai 1933 von der SA besetzt und die Pachtverträge vom hannoverschen Magistrat gekündigt wurden. (17)
So wurde 1933 der Arbeiter-Schwimmverein Aegir e.V. in Ricklingen aufgelöst und das Vereinsgelände eingeebnet. (18) Ebenso erging es Verträgen mit jüdischen Turn- und
Sportvereinen. Einzelne Mitglieder durften ab Oktober 1933 in bürgerliche Sportvereine eintreten, wenn sie keine Juden waren und 2 Bürgen nennen konnten. (18)
Kleingärten – Brutstätten des Marxismus?
Pächter von Kleingärten waren in Hannover überwiegend Arbeiter, viele Mitglieder von SPD und KPD. Deshalb standen Kleingärten-Kolonien für die Nationalsozialisten in Hannover im
Verdacht, „Brutstätten für den zerschlagenen Marxismus“ … zu sein und „… dort ihr volkszerstörerisches Gift vor den Augen der Polizei“ zu verbergen. (19)
Am 6. Mai 1933 wurden 25 Kleingartenvereine in Hannover verboten, andere in Siegerpose von Parteigenossen übernommen. (20)
Laubenkolonie Brink-Langenfort. NTZ, 11. Mai 1933. (21)
Auf einen Blick:
Hitler wird Ehrenbürger von Hannover.
Judenhetze in der Schule.
Verbrennung von Büchern.
Verbot moderner „Entarteter Kunst“.
Arbeiter-Sportvereine und Kleingartenvereine aufgelöst.
Kirchen loben den Führer Adolf Hitler.