Hass auf Juden

Erste Deportation von Juden in Hildesheim 27. März 1942 für den Transport nach Warschau. Zusammen mit  ihren Eltern und ihrer Großmutter  erhielt die 14jährige Lissy Asser in der Hildesheimer Polizeikaserne  die Transportnummer 502. Foto aus einem 56 Sekunden langen Schmalfilm des Hobbyfilmers Erwin Kamberger. Quelle: Stadtarchiv Hildesheim, StaHi, Best. 951, Nr.8318/5

 


Jüdischer Friedhof und Alte Predigthalle An der Strangriede
Im 1864 eingeweihten  und 1924 geschlossenen jüdischen Friedhof befinden sich  Gräber von 3500 Gestorbenen. Anfang September 1941 erklärten die Nazis die Predigthalle und  das angrenzende Wohnhaus zum „Judenhaus“ und zwangen über 100 Juden, unter schrecklichen Lebensumständen dort auf die Ende 1941 beginnenden Deportationen zu warten. Wie in den weiteren „Judenhäusern“  Hannovers lebten Männer und Frauen, jung und alt, verheiratetet oder nicht, in einem Raum. Hier mussten sie sich nachts aufhalten , sich umziehen, waschen, kochen, schlafen.
Foto: Privat, Karte: openstreetmap


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Hass auf Juden
Viele der mehr als 6.000 Juden in der Region Hannover in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts waren in der Mitte der Gesellschaft angekommen, auch wenn unterschwellig immer antisemitische Strömungen in allen Bereichen vorhanden waren.

Sie waren erfolgreich als Wissenschaftler, als Fabrikanten, als Architekten, als Dichter und Schriftsteller, als Bankiers, als Erfinder  - z.B. der Hannoveraner Emil Berliner, Erfinder der Schallplatte -, als Schauspieler, als Politiker und als Handwerker.
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Sie waren geachtet und akzeptiert beim Volk und in der Öffentlichkeit. Trotzdem schafften es die Nationalsozialisten, sie mit ihren Ausgrenzungs-, Gewalt- und Terrormethoden aus der Gesellschaft auszuschließen.

1939 lebten in Hannover 2.271 Jüdinnen und Juden (Quelle: Handbuch der jüdischen Gemeinden). Von den Nazis beraubt und verarmt, waren die meisten nicht in der Lage, die Flucht ins  Ausland zu bezahlen.

 

Ab 23. Oktober 1941 verbot der Reichsführer SS Heinrich Himmler die Auswanderung für Juden. 2174  Menschen aus der Stadt und dem Regierungsbezirk Hildesheim wurden von 1941 bis 1945 in die besetzten Länder im Osten Europas  deportiert. Nur wenige überlebten den Holocaust.

 

Bei Kriegsende  lebten noch  ca. 130 jüdische Menschen in Hannover.
(Quelle: Buch "Ahlem", Hans-Dieter Schmid, Hrsg, Edition Temmen)


Boykott jüdischer Geschäfte

Bereits am 1. April 1933 rief die NSDAP-Parteiführung reichsweit zum Boykott jüdischer Geschäfte auf.
Auch in Hannover folgte man diesem Aufruf und der „Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes" stellte uniformierte Posten vor die Geschäfte. Auf Grund des Berufsbeamtengesetzes vom 7. April 1933 wurden in Hannover 16 jüdische Behördenmitarbeiter entlassen. Im Mai 1933 zerstörten Schlägertrupps die Auslagen von 50 jüdischen Geschäften in Hannover. 1934 mehrten sich die Attacken antisemitischer Täter auf jüdische Geschäfte. Das allmähliche Verschwinden der jüdischen Bürgerinnen und Bürger konnte der übrigen Gesellschaft nicht verborgen bleiben; es wurde sichtbar durch die folgenden Vorgänge, die sich auch in Hannover abspielten: ->>



Wie jüdische Menschen in Hannover erniedrigt und aus der Gesellschaft verdrängt wurden:

An die 1.000 Erlasse und Verordnungen richteten die Nationalsozialisten gegen die Juden und drängten diese aus dem gesellschaftlichen Leben:

  • 1935 wurden die Nürnberger Rassengesetze erlassen, in denen Juden zu Menschen zweiter Klasse degradiert wurden.
  • Von Hannover wanderten viele jüdische Bürger aus.
  • Den jüdischen Geschäften blieben die Kunden weg.
  • An der Markthalle prangte Anfang 1936 ein riesiges Schild mit folgendem Spottvers:

    „Jud, du bist erkannt, auch im Hannoverland.

    Dass in Hannover noch ein Jud wird geduld.

    Daran sind nur die Judenknechte schuld.“

  •  60 bis 70 Prozent der jüdischen Betriebe, die 1933 bestanden haben, waren Anfang 1938 „arisiert", so nannten die Nationalsozialisten ihren Raubzug an jüdischem Eigentum.
  • Jüdische Hausangestellte mussten entlassen werden.
  • Jüdischen Ärzten war es nicht mehr erlaubt zu praktizieren.  
  • Jüdische Arbeiter durften nicht mehr mit nicht-jüdischen zusammenarbeiten.

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  • Jüdischen Schülern wurde eine höhere Schulbildung verwehrt.
  • Im Krieg hatten Juden bei Bombenangriffen gesonderte Schutzräume aufzusuchen.                                        
  • Jüdische Bürger mussten im September 1941 von heute auf morgen ihre Wohnungen und ihre Häuser verlassen. Sie  wurden in „Judenhäusern“ auf engstem Raum zusammengepfercht  („Aktion Lauterbacher")
  • Ab Januar 1939 mussten deutsche Juden stigmatisierende Vornamen annehmen: Männer  „Israel“ als zweiten Namen, Frauen "Sara".
  • Ab 1. September 1941 wurden Juden gezwungen, den gelben Stern auf der linken Brustseite der Kleidung zu tragen.

 

 Der „Magen David“ (d.h. Schild Davids) ohne Inschrift Jude gilt wie das Kreuz für die Christen als Symbol des Judentums. Foto: Dietmar Geyer

Mehr Infos "Judenstern":

https://religionen-entdecken.de/lexikon/j/judenstern

 

 

 



Borkum war bereits zur Jahrhundertwende eine Hochburg der Antisemiten. An Hotels hingen Schilder mit der Aufschrift „Juden und Hunde dürfen hier nicht herein!“, ein antisemitisches „Borkum-Lied“ wurde jeden Tag von der Kurkapelle gespielt und mitgesungen.        Postkarte von 1900


Die Juden Hannovers und der Umgebung mussten 1939 im Stadtleihamt am Hohen Ufer ihren Schmuck abgegeben. 

Historisches Museum Hannover, 002665

 

Aufruf zum Boykott – das „Aktionskommitee zur Abwehr der jüdischen Hetze im Ausland“ klebte dieses Plakat  am 1.4.1933 auf das Schaufenster des Damenhüte- und Pelzwarengeschäfts Ernestine Wolosker, gegenüber der Marktkirche in Hannover.

Sammlung Werner Heine

 


Registrierung und Kontrolle von Juden in der Reithalle der Polizeischule Hildesheim 1942. Bargeld und Wertsachen mussten abgegeben werden. Dennoch wurden Leibesvisitationen in der Sammelstelle Ahlem vorgenommen. Nur Eheringe blieben verschont.

Stadtarchiv Hildesheim, StaHi, Best. 951, Nr. 8377/1

Juden mussten  ab September 1941 ihre Häuser und Wohnungen verlassen und wurden in Judenhäuser – hier Knochenhauerstraße 61  – in Zimmer  bis zu 10  Personen gezwungen. Dort hatten sie auf die Deportation zu warten.
Historisches Museum Hannover BD015426


Auf dem Weg zur Straßenbahn  für  den Transport nach Warschau: „Die Überführung der von der Außenstelle Hildesheim im Regierungsbezirk Hildesheim festzunehmenden Juden erfolgt am Freitag, dem 27. 3. 1942, mittels Sonderwagen der Straßenbahn nach der Gartenbauschule Ahlem.“
Organisationsplan der Gestapo vom  10. März 1942. Stadtarchiv Hildesheim, StaHi, Best. 951, Nr. 8377/14

 



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Wissen + Verstehen = Anwenden:


Was ist Antisemitismus?
„Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“

Quelle: International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Zustimmung durch Kabinettsbeschluß der Bundesregierung vom 20. Sept. 2017, https://de.wikipedia.org/wiki/International_Holocaust_Remembrance_Alliance


Beispiele:

  •  Der Aufruf zur Tötung oder Schädigung von Juden im Namen einer radikalen Ideologie oder einer extremistischen Religionsanschauung sowie die Beihilfe zu solchen Taten oder ihre Rechtfertigung.
  •   Falsche, entmenschlichende, dämonisierende oder stereotype Anschuldigungen gegen Juden oder die Macht der Juden als Kollektiv – insbesondere aber nicht ausschließlich die Mythen über eine jüdische Weltverschwörung oder über die Kontrolle der Medien, Wirtschaft, Regierung oder anderer gesellschaftlicher Institutionen durch die Juden.
  •   Das Verantwortlichmachen der Juden als Volk für tatsächliches oder unterstelltes Fehlverhalten einzelner Juden, einzelner jüdischer Gruppen oder sogar von Nicht-Juden
  •  Das Bestreiten der Tatsache, des Ausmaßes, der Mechanismen (z.B. der Gaskammern) oder der Vorsätzlichkeit des Völkermordes an den Juden durch ->>

 

 

 

       das nationalsozialistische Deutschland und seine 

       Unterstützer und Komplizen während des

       Zweiten Weltkriegs (Holocaust).

  • Der Vorwurf gegenüber den Juden als Volk oder dem Staat Israel, den Holocaust zu erfinden oder übertrieben darzustellen.
  •  Der Vorwurf gegenüber Juden, sie fühlten sich dem Staat Israel oder angeblich bestehenden weltweiten jüdischen Interessen stärker verpflichtet als den Interessen ihrer jeweiligen Heimatländer.
  •  Das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein "rassistisches Unterfangen".
  •   Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet oder gefordert wird.
  •   Das Verwenden von Symbolen und Bildern, die mit traditionellem Antisemitismus in Verbindung stehen, z.B. durch den Vorwurf des Christusmordes, um Israel oder die Israelis zu beschreiben.
  •  Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten.
  •  Das kollektive Verantwortlichmachen von Juden für Handlungen des Staates Israel.

Weitere Fragen und Antworten:


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