Das ehemalige Gerichtsgefängnis Hannover zwischen der Alten Celler Heerstraße und der Leonhardtstraße diente den Schergen Hitlers als Untersuchungsanstalt für Frauen und Männer des Arbeiterwiderstandes. Später saßen hier Gegnerinnen und Gegner des Nationalsozialismus, Angehörige verfolgter Minderheiten wie Sinti, Zeugen Jehovas und Homosexuelle – aber auch Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Von 1937 bis 1943 lebte der Vorsitzende der KPD, Ernst Thälmann, hier in Einzelhaft - s. Bildunterschrift unten. Das Gebäude wurde 1964 abgerissen. Heute erinnert ein Mahnmal des hannoverschen Künstlers Breuste an das ehemalige Gerichtsgefängnis. Historisches Museum Hannover, 028016
Mahnmal Gerichtsgefängnis Lister Meile/Ecke Raschplatz: Das von Hans-Jürgen Breuste geschaffene Mahnmal für das Gerichtsgefängnis
Hannover wurde am 8.5. 1989 eingeweiht. Das Gerichtsgefängnis befand sich ungefähr dort, wo die Hochstraße Berliner Allee über die Lister Meile führt.
Foto: Privat, Karte: openstreetmap
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Untergang von SPD, KPD und Gewerkschaften
Haben vor allem Arbeiter – als Folge der Krise und der Arbeitslosigkeit in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts die NSDAP gewählt? Der Vergleich der Wahlen im Arbeiterbezirk Linden-Nord
und dem bürgerlichen Stadteil List zeigt das Gegenteil: 1932 bekamen SPD und KPD in Linden-Nord 72,1 %, in der List sanken die bürgerlichen Parteien (von ehemals 62,5 % in 1924) auf 20 %,
die NSDAP erreichte dort 52,5 %.
Urfeind Kommunisten
Die Kommunisten wurden von den Nationalsozialisten als der politische Urfeind angesehen und unabhängig von jeder illegalen Tätigkeit verfolgt. Der staatlich organisierte Terror des NS-Regimes
richtete sich daher zunächst gegen die KPD. Am 2. Februar 1933 wurde das Karl-Liebknecht-Haus in Hannover besetzt. Die Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei war Grund, Personen in
„Schutzhaft“ zu nehmen. Die KPD verschwand im Untergrund und verteilte illegale Druckschriften in Betrieben (z.B. die „Hanomag-Sirene“).
Hauptgegner: SPD und Gewerkschaften
Die SPD war die mitgliederstärkste Partei in Hannover, sie galt als Hauptgegner und sollte „mit aller nur erdenklichen Schärfe angegriffen“ werden. Allerdings signalisierte die SPD in
Hannover den Genossen ihre Entschlossenheit zum Widerstand
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lediglich verbal – siehe Aufrufe in der „Volkswille“ -, verhielt sich aber betont passiv, um die Nazis nicht zu provozieren und ihre drohende Auflösung zu verhindern. Am 1. April 1933
stürmten SA und SS das Parteigebäude der SPD.
Nach der Gleichschaltung der Gewerkschaften am 2. Mai entwickelte sich aus linken Sozialdemokraten die Widerstandsorganisation Sozialistische Front. https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialistische_Front
Die Gewerkschaften beschränkten ihren Widerstand im Grunde darauf, in der „Illegalen Reichsleitung der deutschen Gewerkschaften”, d. h. in Kontakt-Zirkeln ehemaliger
Spitzenfunktionäre, die Planung für die Zeit nach dem Ende der NS-Diktatur zu diskutieren.
Die Sozialistische Front dagegen sah sich in radikaler Gegnerschaft zu den Nationalsozialisten. Unter der Leitung des Redakteurs der ehemaligen SPD-Zeitung „Der Volkswille“, Werner
Blumenberg, wurden die Monatszeitschrift „Sozialistische Blätter“ in einer Auflage bis zu 450 Exemplaren gedruckt und mit Fahrradkurieren im Großraum Hannover verteilt. Innerbetriebliche
Kontakte zur sozialdemokratischen Arbeiterschaft bei Hanomag und den Günther Wagner, Pelikan-Werken halfen, unentdeckt zu bleiben. Immer wieder wurden einzelne Vertreter der
Sozialistischen Front und anderer linker Organisationen verhaftet – unter anderem am 30. August 1933 der damalige SAPD-Kurier im Untergrund und spätere Vorsitzende der IG-Metall Otto
Brenner.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialistische_Arbeiterpartei_Deutschlands_(1931)
1935 verurteilte das Nazi-Regime das Mitglied der sozialistischen Front und den späteren SPD- Bundesminister Egon Franke zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus. Im Juli 1936 gelang der Gestapo ein
großer Schlag: Weitere Mitglieder der Sozialistischen Front wurden verhaftet. 224 Angeklagte sperrte man im überfüllten Gerichtsgefängnis Hannover ein und verurteilte sie zu langjährigen
Gefängnisstrafen.
Quelle: Susanne Döscher-Gebauer/Hans-Dieter Schmid/Detlef Schmiechen-Ackermann. Linkssozialistischer Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur in
Hannover. Schriften zur Erinnerungskultur.
Schlagzeilen der SPD-Zeitung “Volkswille“ vom 1., 2. und 4. Februar 1933
Der spätere Vorsitzende der bundesdeutschen IG-Metall Otto Brenner hielt als Kurier Verbindung zwischen der hannoverschen SAPD - einer linksgerichteten
Abspaltung der SPD - und der Reichsleitung in Berlin. Hier wurde er verhaftet, im Polizeipräsidium Hannover vernommen und später zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt.
Quelle: Axel HH
https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Brenner
„Teddy“ Ernst Thälmann war der bekannteste und am längsten im als ausbruchssicher betrachteten Gerichtsgefängnis eingesperrte Gefangene – vom 13. August
1937 bis zum 11. August 1943. Der Führer der KPD wurde auf Befehl Heinrich Himmlers am 18. August 1944 an der Tür zum Krematorium des Konzentrationslagers Buchenwald erschossen. Buch
Ernst Thälmann, Bilder, Dokumente,Texte, Berlin (DDR) 1986
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Th%C3%A4lmann
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Der politische Widerstand gegen die Nationalsozialisten war gescheitert. Die sozialistischen (SPD, USPD), liberalen (DDP, DVP), katholischen (Zentrum, BVP) Parteien und die linksradikale
KPD waren hervorragend organisiert und hätten die stärkste Kraft im Kampf gegen den Nationalsozialismus stellen können. Sie scheiterten an ihrer Furcht, nach Provokationen Rückschläge zu erleiden
(z.B. SPD), an ihrer Kompromisslosigkeit (z.B. KPD) und allgemein an ihrer mangelnden Bereitschaft, zusammen die Bevölkerung vom Erhalt von Freiheit und Demokratie zu
überzeugen.
Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung, Prof. Dr. Wolfgang Benz.
http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozialismus/39540/erste-widerstaende?p=2
Hätten Kommunisten, Sozialdemokraten und andere Parteien gemeinsam gegen die Nationalsozialisten gearbeitet, anstatt sich aus Konkurrenz und aufgrund ideologischer Differenzen gegenseitig zu bekämpfen, wäre der politische Widerstand im Dritten Reich vermutlich stärker und effektiver gewesen.
Die Nationalsozialisten werteten die demokratischen Parteien der Weimarer Demokratie mit dem Begriff "Systemparteien" (= vernetzt in Staat und Gesellschaft) verächtlich ab.
https://de.wikipedia.org/wiki/System_(Nationalsozialismus
Trotz der verheerenden Auswirkungen auf die Demokratie der Weimarer Zeit wird der Begriff in veränderter Form ("Alt-Parteien", "Systemparteien" oder "Kartellparteien" für CDU/CSU, SPD,
Grüne, FDP etc.) von populistischen Politikern heute wieder verwendet.
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