Zwangsarbeiter-Lager in Buchholz, Godshorn, Langenhagen, Mühlenberg, Stöcken...

Russische Zwangsarbeiter beim Entladen von Strohsäcken als Matratzen-Ersatz im Lager Pappelsberg der Vereinigten Leichtmetallwerke, 30.2.1942. Foto: Privat

 


In der  ehemaligen Laubhütte der Israelitischen Gartenbauschule in Ahlem erhängten die Nazi-Schergen mindestens 59 Zwangsarbeiter.  154 Häftlinge brachte man am 6. April 1945 von Ahlem zum Friedhof Seelhorst und ermordete sie dort..

https://www.hannover.de/Kultur-Freizeit/Architektur-Geschichte/Erinnerungskultur/Gedenkst%c3%a4tte-Ahlem

Foto: Privat, Karte: openstreetmap


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60 000 Zwangsarbeiter in Hannover

Im Deutschen Reich gab es bereits seit Kriegsbeginn einen enormen Arbeitskräftemangel. Gleichzeitig musste die gewaltige Rüstungsproduktion auf-rechterhalten werden, um die Kriegsmaschinerie voranzutreiben. Daher wurden ausländische Arbeitskräfte in Deutschland eingesetzt. Das galt vor allem für Frauen und Männer aus Polen, Russland und der Ukraine.

Damit entstanden ideologische Probleme, denn man holte sich die zuvor als Feinde propagierten Menschen in das eigene Land. Aber auch aus Westeuropa kamen Zwangsarbeiter ins Deutsche Reich. Hier fand eine Entwicklung von anfänglicher (Schein-) Freiwilligkeit zur späteren Zwangsaushebung statt, wie in Belgien, Frankreich und den Niederlanden.

In Hannover lebten während des 2.Weltkriegs über 60.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in etwa 500 Lagerunterkünften = 40 % aller Arbeitskräfte. Sie wurden hauptsächlich in großen Betrieben eingesetzt. Zwangsarbeiter waren aber auch beispielsweise privat als Hausangestellte oder in kleineren Betrieben tätig.

Große Zwangsarbeiterlager in Hannover wurden auch von der Lagergemeinschaft e.V., einer Interessengemeinschaft verschiedener hannoverscher (Rüstungs-)Firmen, betrieben: Continental Gummi-Werke A.G., Eisenwerk Wülfel, M.N.H. Maschinenfabrik Niedersachsen, Ernst Sorst u. Co., Deutsche Edelstahlwerke A.G. Werk Hannover, HANOMAG, Westinghouse-Bremsen-Gesellschaft m.b.H. Später schlossen sich noch weitere Unternehmen an z.B. Hackethal, VLW, Hansa Eisen, Grasdorf, Friedrich Mehmel AG, insgesamt ungefähr 170 Firmen. Zweck des Vereins war die „Schaffung von Unterkunftsmöglichkeiten (einzelne Baracken oder große Lager) im Raum der Stadt Hannover und ihrer näheren Umgebung für ortsfremde Arbeiter und

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Kriegsgefangene der Rüstungsindustrie" (Aus Satzung Lagergemeinschaft e.V.) Dazu gehörte auch die gemeinsame Verwaltung dieser Lager sowie die „Verpflegung", „Betreuung und Bewachung" der Zwangsarbeiter.

 

Wo befanden sich die Lager?
Die Lagergemeinschaft e.V. unterhielt u.a. die Lager Bornumer Holz (Auf der Kuhbühre), Buchholz (Klingerstraße),  Buchholz-Kanal (Bothfelder Straße), Godshorn - Höppnersche Ziegelei (Schulenburger Landstraße), Lindener Berg (Schwarze Flage), Ricklingen Mühlenberg (Hamelner Chaussee), Wülfel (Am Mittelfeld), Vahrenwald (Großer Kolonnenweg), Vinnhorst (Hackethalstraße, Osterrieder Weg) und in der SA-Reitschule in Vahrenwald.

Zusätzlich gab es firmeneigene Lager, die manchmal aus nur einer Baracke auf dem Firmengelände bestanden, aber auch mehrere Hundert Personen fassen konnten, wie bei den Rüstungsbetrieben Deutsche Edelstahlwerke, Eisenwerk Wülfel, Günther Wagner-Pelikan-Werke, HANOMAG, Maschinenfabrik Niedersachsen Hannover, Schuppert, Vereinigte Leichtmetall-Werke oder auch bei der Deutschen Reichsbahn. Bahlsen's Keksfabrik unterhielt ein Lager für ukrainische Zwangsarbeiterinnen an der Podbielskistraße - dort, wo heute die Käthe-Kollwitz-Schule steht.  Die Akkumulatorenfabrik und die Continental Gummi-Werke betrieben in „der neuen Industrieanlage am Nordhafen" zwei Zwangsarbeiterlager, in denen mehrere Tausend Zwangsarbeiter während der gesamten Kriegszeit untergebracht wurden. Auch die Stadtverwaltung Hannover oder die Deutsche Reichsbahn unterhielten verschiedene Zwangsarbeiterlager.
Quellen: Feinde im eigenen Land. Zwangsarbeit in Hannover im Zweiten Weltkrieg. Anschütz, Janet/Heike, Irmtraud. Bielefeld, Verlag für Regionalgeschichte, 2000; Das Sachsenross unter dem Hakenkreuz. Janet von Stillfried, Matrix/Media-Verlag 2016

Plan der ersten Ausländer-Baracke für die Keksfabrik Bahlsen, Podbielskistraße 100, 1940. Heute steht dort das Käthe-Kollwitz-Gymnasium. Quellen: BAH, R10, Nr.156, openstreet-map

Unmenschliche Arbeit - schlechte Ernährung         Der Arbeitstag für Zwangsarbeiter betrug in der Regel 12 Stunden in Tag- und Nachtschichten. Die Ernährung war insbesondere für russische Zwangsarbeiter katastrophal. Geringste Verfehlungen zogen grausame und brutale Strafen nach sich. Über 30 % waren schon nach wenigen Monaten arbeitsunfähig, viele starben.

Quellen: Feinde im eigenen Land. Zwangsarbeit in Hannover im Zweiten Weltkrieg. Anschütz, Janet/Heike, Irmtraud. Bielefeld, Verlag für Regionalgeschichte, 2000; Das Sachsenross unter dem Hakenkreuz. Janet von Stillfried, Matrix/Media-Verlag 2016



Aus den von den Nazitruppen besetzten Gebieten der Sowjetunion wurden Tausende arbeitsfähige Menschen als billige Arbeitskräfte zur Zwangsarbeit nach Deutschland zusammengetrieben.

Staatsarchiv Koblenz, 183-R70662

Merkblatt zur Überwachung der ausländischen Zwangsarbeiter. „Zwangsarbeiter/innen Ost“ standen in den Augen der SS auf der untersten Stufe in der Behandlung, lebten in geschlossenen Lagern und durften sich nicht ohne Bewachung in der Öffentlichkeit bewegen. Die Rassenlehre der Nationalsozialisten erklärte diese Menschen zu „Untermenschen“.

Stadtarchiv Hannover

Zwangsarbeiter-Lager Stöckener Straße 351 der Akkumulatoren Werke.

Janet von Stillfried



Die Nationalsozialisten sahen die dringend benötigten Arbeitskräfte in Deutschland als "Feinde im eigenen Land".

Zwangsarbeiter/innen aus Polen erhielten ein „P“,  frühere "altsowjetrussische" Menschen mussten ein "Ost" auf der rechten Brustseite tragen.

Quelle: Stadtarchiv Hannover



Großburgwedel:                       28 Babys von Zwangsarbeiterinnen ließen die Nazis achtlos verhungern

Nach der Verschleppung auch von schwangeren Frauen aus Polen 1943 zur Landarbeit im Nordwesten von Hannover kamen viele Säuglinge zur Welt.
"Die Kinder (können) nicht bei der Mutter in den Familien der Landwirte bleiben, da sonst die Arbeitskraft der Arbeiterinnen den Bauern nicht erhalten (bliebe) und die Gefahr des Hineinwachsens in die deutsche Familie" bestände. (Regierungspräsident und SS-Führer in Lüneburg Fritz Gottfried Heinrich Herrmann über Kinder der Zwangsarbeiterinnen vom Dezember 1943)

Der "Bergmannsche Hof" links neben der St.Petri-Kirche. Postkarte von 1933

Stolpersteine an der Straße "Im Mitteldorf" erinnern an das achtlose Sterbenlassen von 28 polnischen Kindern. Foto: Privat

In der nun vermutlich ab Februar 1944  vom Burgwedeler NS-Bürgermeister, Ortsgruppenleiter der NSDAP und Ortsbauernführer Heinrich Wessarges (1882 - 1945) eingerichteten "Ausländer-Pflegestätte" - einem leerstehenden und renovierungsbedürftigen Bauernhaus der Familie Bergmann neben der St.Petri-Kirche - wurden in 2 feuchten, nicht beheizten Zimmern Kleinkinder und Säuglinge untergebracht. Die Mütter waren bis zu 32 km entfernt und konnten ihre Kinder nicht versorgen. Die Kinder hatten kaum Betten und kaum Kleidung. Sie hungerten und froren. Die Überlebenszeit im sogenannten "Polen-Heim" in Großburgwedel betrug für viele Kinder nur 10 - 29 Tage.

Quelle: Buch "Geraubtes Leben, Spurensuche: Burgwedel während der NS-Zeit", Irmtraud Heike/Jürgen Zimmer, VSA



Arbeitserziehungslager - das KZ für Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene

Wegen angeblicher Arbeitsverweigerung, wegen unerlaubter Entfernung zum Arbeitsplatz, wegen Konflikten mit deutschen Dienststellen konnten Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene ab 1941 von der Gestapo bis zu 56 Tage in Arbeitserziehungslager eingewiesen werden - so der Befehl der Chefs der SS, Heinrich Himmler.
Arbeitserziehungslager unterschieden sich kaum von Konzentrationslagern.
Der Gestapo Hannover unterstanden außerhalb Hannovers die Arbeitserziehungslager Liebenau, Lahde und Watenstedt. Im Stadtgebiet gab es solche Lager für Frauen ab 1942 in den Günther Wagner Verpackungswerken, Hansastrasse 10, und ab Februar 1944 in Günther Wagner Pelikan chemische Werke, Podbielskistrasse 103 sowie in der Wäscherei August Gieseler, ebenfalls Podbielskistrasse.

In der Wöchnerinnen-Baracke des Zwangsarbeiterlagers Hansastraße 10 starben 50 % der Säuglinge.

Die eingewiesenen Männer und Frauen trugen Häftlingskleidung. Auf dem Rücken stand ein H. Es wurden die Haare abgeschoren. Die Arbeitsschichten dauerten täglich 12 Stunden und mehr. Die SS  und die Wachmänner folterten grundlos und prügelten viele Häftlinge zu Tode. Die Anweisung "Sonderbehandlung" der Gestapo bei der Einlieferung bedeutete: Mord durch Erhängen.

Zwangsarbeiterlager Günther Wagner-Verpackungswerke, Hansastraße 10. Luftaufnahme von 1945.

Eingang zum Arbeitserziehungslager Lahde bei Petershagen/Minden. Hier starben bei einer Belegung von 2000 Personen innerhalb von zwei Jahren 800 Menschen.
Häftlinge aus Lahde wurden von der Gestapo in Ahlem bei Hannover im April 1945 gezwungen, nach Hannover zu marschieren. 153 Männer und eine Frau erschoß die Gestapo auf dem Seelhorster Friedhof -> siehe https://cms.e.jimdo.com/app/s4a89e80e4f492bee/pcf1edf481241f2ea?safemode=0&cmsEdit=1

Quellen: Feinde im eigenen Land, Janet Anschütz und Irmtraud Heike, Verlag für  Regionalgeschichte, Bielefeld 2000. Tinte und Blech, Annemone Christians, Institut für Zeitgeschichte.  Unter der Wolke des Todes leben..., Hannover im Zweiten Weltkrieg, Ernst Kabel-Verlag 1983. Das Sachsenross unterm Hakenkreuz, Janet von Stillfried, MatrixMedia-Verlag 2016.




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Wissen + Verstehen = Anwenden:

In Deutschland wurden während des 2. Weltkrieges  rund 20 Millionen Zwangsarbeiter in allen Bereichen des Wirtschaftslebens eingesetzt: im Bergbau und der (Rüstungs-)Industrie, in der Land- und Forstwirtschaft, den Kommunalbetrieben, der Verwaltung, im Handwerk, in Privathaushalten usw. Nahezu jeder große und kleine Betrieb hatte mindestens eine ausländische Arbeitskraft beschäftigt.
Ihre Arbeitgeber waren vor allem die Unternehmen der Privatwirtschaft, die staatlichen Betriebe der SS und der  ->>

Organisation Todt (militärähnliche Baugruppe - war in von Deutschland besetzten Gebieten tätig), die Kommunalverwaltungen, Landwirtschaftsbetriebe, die Kirchen sowie kinderreiche Familien.
Einerseits standen die Nationalsozialisten  den Zwangsarbeitern „als Feinde im eigenen Land“ misstrauisch gegenüber – andererseits erforderte der Krieg zusätzliche Arbeitskräfte.
Insbesondere zwischen 1942 und 1945 war die Ernährung der Zwangsarbeiter so katastrophal, dass viele nicht mehr arbeiten konnten und als Folge der Unterernährung starben.
Babys von  Zwangsarbeiterinnen bezeichneten  die Nazis als „unerwünscht“, trennten sie von ihren Müttern und ließen sie verhungern.



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